Dho

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Nach den letzten doch recht unruhigen Nächten, schlafe ich
diesmal tief und fest und bekomme nichts davon mit, dass es die ganze Nacht
Bindfäden regnet. Aber am Morgen haben wir wie gestern schönes Wetter und wir
können heute sogar vor dem Zelt in der Sonne frühstücken.
Unser Weg zieht sich weiter das Tal des Tarap Khola hinauf.
Es gibt zwar zwischendurch mal die ein oder andere steilere Passage, die auch
mal etwas spektakulärer ist, aber der größte Teil des Weges hat eher flacheren Charakter.
Nach ca. 2 Stunden Gehzeit
erreichen wir mit ca. 3800 Metern Höhe einen kleinen Pass mit einem Tschörten.
Die Landschaft verändert sich urplötzlich. Wir stehen inmitten von lehmigen,
ausgetrockneten Erdhügeln. Nach einer kleinen Zwischenrast steigen wir auf der
anderen Seite wieder ins Flusstal ab.
Kurz vor der Mittagsrast treffen wir erneut auf ein
Nomadenlager, die mit einer großen Ziegenherde unterwegs sind. Die
Gastfreundschaft dieser Leute kennen wir nun bereits. So wundert es uns auch
nicht, dass wir zu einem Glas Chang, tibetischem Reisbier eingeladen werden. Als
ich jedoch sehe, wie die alte Frau mit völlig verschmutzten Händen die Kelle
tief in den Behälter mit Chang taucht, verkneife ich es mir, davon zu trinken.
Wir wollen heute knapp 3 Gehstunden vor Dho zelten. Als wir
am Nachmittag den geplanten Rastplatz erreichen, ist dieser schon von einer
Mulikarawane belegt.
Aber wir werden kurze Zeit später woanders fündig (Höhe ca.
3900 Meter). Es ist
sonnig und es wehr ein leichter Wind. Optimal zum trocknen der in den letzten
Tagen doch nie richtig trocken gewordenen Schlafsäcken. In kürzester Zeit sind
alle Sträucher rund um unseren Platz mit Schlafsäcken, Hemden Socken etc.
bestückt. Gegen Abend frischt der Wind immer mehr auf und es wird richtig kalt.
Zum ersten Mal kommt die Mütze zum Einsatz.
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Inzwischen haben wir Besuch von einigen Mulis bekommen.
Einige Tiere sind wunderschön mit bunten Bändern geschmückt.
Aber auch von unseren heutigen Zeltnachbarn den tibetischen
Nomaden erhalten wir Besuch. Wenn auch der Anlass, zumindest für einen der
Männer, kein Erfreulicher ist. Der alte Tibeter hat eine große Platzwunde über
dem linken Auge, welche von einem Mulitritt stammt und fragt, ob wir ihm helfen
können. Wir tun unser Bestes und verarzten die Wunde. Für die Nacht bekommt er
noch Schmerztabletten.
Wenig später gibt es noch weiteren Besuch. Zwei Jungs, die
mit dicken Holzbalken beladen auf dem Weg nach Dho sind, interessieren sich
natürlich für die Fremden, an denen sie da so plötzlich vorbeikommen. Voller
Neugierde schauen sie in unser Zelt. Als ich ihnen winke, kommen sie sofort
näher. Voller Interesse schauen sie auf meine Dolpo Landkarte, welche im Zelt
liegt. Mit Händen und Füssen verständigen wir uns und ich versuche ihnen anhand
der Karte zu erklären, woher wir kommen und wohin wir gehen. Als mir einfällt,
dass ich einen kleinen Sprachführer Deutsch-Nepali dabei habe, wird es im Zelt
richtig lustig. Gemeinsam lesen wir uns die komischsten Sätze vor und haben
riesigen Spass. Als es schon an zu dämmern fängt, machen sich die Beiden dann
auf den Weg nach Hause.
Am nächsten Morgen ist es nicht mehr weit bis Dho. Der Weg
geht fast eben, nur mit ganz leichten Anstiegen, durch eine atemberaubende
Landschaft talaufwärts. Nach 3 Stunden haben wir Dho erreicht. Schon von weitem
kann man die Gompa von Dho auf dem Hügel sehen. Wir überschreiten zum ersten Mal
die 4000 Meter Grenze. Dho liegt auf ca. 4050 Metern.
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Unsere Zelte schlagen wir unterhalb des
Ortes auf einer großen Wiese auf.
Im Nu sind wir von Kindern und jungen Frauen
umringt, die alles beobachten was wir so machen. Schnell ist der Kontakt
hergestellt. Wie überall in Nepal sind die Kinder begeistert, wenn sie
fotografiert werden.
Ganz toll finden die Kinder es, als ich sie durch den
Sucher der Kamera gucken lasse. Als ich meinen Reflektorschirm auspacke und
ihnen zeige, wie man damit Licht steuern kann, sind sie zunächst etwas
misstrauisch, aber das legt sich schnell. Einige Kinder haben schnell raus, wie
der Reflektor funktioniert. Andere Kinder benutzen ihn als Wurfscheibe und
wieder andere haben einen Riesenspaß, den zusammengefalteten Reflektor
auseinander springen zu lassen.
Als ich mein Nepali-Wörterbuch auspacke, habe ich sofort
eine ganze Traube von Kindern um mich rum und wir machen wieder eine sehr
lustige Lesestunde.
Nachdem wir etwas gegessen haben, mache ich mich zunächst
alleine zu einem kleinen Rundgang durch den Ort auf. Dabei begegne ich zwei
kleinen Mädchen, die mit riesigen Dokos Brennmaterial unterwegs sind.
Mehrer Kinder haben ihre Schuhe seitenverkehrt an. Aber das
scheint sie nicht zu stören. Bei einem Mädchen sind die Schuhe so klein, dass
sie vorne die Kappen aufgeschnitten hat, so dass die Zehen Platz haben. Viele
Kinder tragen ihre kleinen Geschwister auf dem Rücken, mit einem langen breiten
Tuch an ihrem Körper festgebunden.
Als wir später mit mehreren Leuten einen Spaziergang durch
den Ort machen, begleiten uns die Kinder und zeigen uns Dho. An jeder Hand ein
Kind, wandern wir zwischen den Feldern und Häusern hindurch. Die Kindern führen
uns zur Wassermühle des Ortes, wo Tsampa, Gerstenmehl gemahlen wird, ein Mädchen
führt uns zu ihrer Mutter, die am Fluss ihre Haare wäscht. Das kleinste Kind,
welches noch nicht laufen kann, krabbelt fröhlich zwischen uns rum. Eine andere
junge Frau reinigt am Fluss einen schönen bestickten Hut. Vor mehreren Häuser
sitzen Frauen mit Webstühlen und weben wunderschöne Stoffe. Fast alle Frauen die man
sieht, tragen eine Spindel mit Wolle bei sich.
Die Kinder werden im Laufe des Tages immer zutraulicher und
packen nach und nach ihre Schätze aus. da kommt ein Öffner von einer
Sardinendose zum Vorschein oder ein kleiner Schlüssel, den irgendeiner mal
verloren hat. Diese Sachen, bei uns Müll, sind für die Kinder wahre
Kostbarkeiten, die sie uns stolz präsentieren.
Was wir im ganzen Ort so gut wie nicht sehen, sind Männer.
Die sind alle, wie wir dann erfahren, mit Yaks oder Mulis unterwegs in Richtung
Tibet. Aber man kündigt uns an, dass die Männer in den nächsten Tagen
zurückerwartet werden. Das nährt natürlich unsere Hoffnung, dass wir einige der
Yakkarawanen auf unserem Weiterweg live zu sehen bekommen.
Am Nachmittag, machen wir uns dann auf den Weg die
verschiedenen umliegenden Gompas zu besichtigen.
Wir beginnen mit der Gompa direkt oberhalb des Ortes. Beim
Aufstieg zur Gompa begegne ich zwei jungen Frauen, die unbedingt von mir
fotografiert werden möchten und dabei großen Spaß haben.
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Als wir die Gompa erreichen, ist der Lama und Amchi der
Gompa leider nicht da, aber wir können die Räume trotzdem besichtigen. Eine
Frau hat den Schlüssel und öffnet uns die Gompa. Über eine aus einem
Baumstamm geschnitzte Leiter geht es in die obere Etage, wo sich der Medizinraum
und der Gebetsraum befinden.
Von dort aus wandern wir in das Tal des Pang Khola zu zwei
weiteren Gompas. Die erste Gompa, eine Bön-Gompa, liegt auf der linken Talseite.
Man sieht die Gompa erst sehr spät nach einer leichten Biegung. Zum Schluss
erfolgt auch hier ein kleiner Anstieg bis zum Kloster. Von hier aus hat man
einen wunderschönen Blick über das Tal in Richtung Dho. Alleine für diesen
Ausblick hat sich die 45minütige Gehzeit schon gelohnt.
Die Gompa ist mit wilden Masken geschmückt und der alte
Lama, den wir dort treffen zeigt uns bereitwillig alles. Allerdings ist es in
dieser Gompa wieder sehr dunkel. Der Boden auf dem wir uns in der Gompa bewegen
ist sehr weich. Erst als wir wieder nach draußen kommen, sehen wir, dass der
Boden völlig matschig war. Unter unseren Schuhen befindet sich eine dicke
Matschschicht.
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Exkurs Bön:
Bön oder auch Bon geschrieben, ist die
von schamanischen und animistischen Glaubensvorstellungen geprägte Religion,
die vor der Verbreitung des Buddhismus in den Bergregionen des Himalaya,
besonders jedoch in Tibet, vorherrschte. Padmasambhava, auch Guru Rinpoche
genannt, hat den Buddhismus hier verbreitet, indem er die alten Gottheiten
des Bön in die neue Religion integrierte. Lokale Gottheiten und Gottheiten
für bestimmte Naturphänomene finden sich daher noch heute im tibetisch
geprägten Buddhismus im Himalaya wieder.
Trotzdem blieb die Bön-Religion in
einigen Bergtälern erhalten und entwickelte sich weiter. Tönpa Shenrab
Miwoche, gilt im weiterentwickelten Bön, als eine Art Buddha. Buddha
Sakyamuni hat nach dieser Tradition seine Lehren von Tönpa Shenrab Miwoche
erhalten. Auch diese weiterentwickelte Form des Bön hat die Lokalgottheiten
in ihren Pantheon mit eingebunden.
Beide Religionsformen haben über mehrere
Jahrhunderte nebeneinander existiert, wenn auch der Bön meistens im
Verborgenen. Trotzdem fand eine gegenseitige Beeinflussung und ein Austausch,
besonders mit der Nyingmapa-Schule des Buddhismus statt.
Nach dem Einmarsch der Chinesen in Tibet
wurden nicht nur die Buddhisten verfolgt, auch die Bön-Anhänger mussten zum
großen Teil fliehen. Ähnlich wie die tibetischen Buddhisten, findet man die
Anhänger des Bön heute auch in Nepal und Indien. Da das Dolpo von jeher zum
tibetischen Kulturkreis gehörte, fand auch der Bön hier von jeher seine
Ausbreitung und wird auch heute noch in einigen Orten / Klöstern
praktiziert.
Der 14. Dalai Lama hat zwischenzeitlich
den Bön als fünfte religiöse Schule Tibets anerkannt.
In der heutigen Zeit liegt der
Unterschied zwischen Bön und Buddhismus hauptsächlich in äusseren Dingen. So
umrunden die Anhänger des Bön ihre Heiligtümer gegen den Uhrzeigersinn, die
Buddhisten im Uhrzeigersinn. Die Swastika, bei uns als Hakenkreuz in Verruf
geraten, gilt in beiden Religionsformen als heiliges Symbol. Das Kreuz dreht
sich im Bön wieder gegen den Uhrzeigersinn, im Buddhismus im Uhrzeigersinn.
Unterschiede gibt es natürlich auch in der Ikonographie der Heiligen und
Gottheiten, wobei hier schon genauere Kenntnisse notwendig sind, um diese
Unterschiede teilweise zu erkennen. |
Von hier aus geht es dann zur letzten Gompa,
der Shibchog Gompa. Wir müssen ein kleines Stück des Weges zurückgehen, bevor
wir dann die Flussseite wechseln und auf der anderen Talseite zur Gompa
hochsteigen. Auch hier begegnen wir wieder zwei jungen Frauen, die ebenfalls
gerne fotografiert werden wollen.
Die Shibchog Gompa besteht eigentlich aus zwei Gompas. Die
erste ist eine buddhistische Gompa, wo der Lama gerade eine Puja zu Ehren
Padmasambhavas abhält. Um in diese Gompa zu gelangen, müssen wir wieder eine
Holzstiege hoch. Wir gelangen zuerst in einen Vorraum, wo mehrere Frauen dabei
sind Gerste zu rösten. Von dort gelangen wir durch eine kleine Tür in den
Gebetsraum. Bei meiner Größe muss ich auf Knien durch die Tür. Selbst in
gebückter Haltung komme ich sonst nicht durch.
Nachdem die Puja beendet ist, führt uns der Lama in die
benachbarte Bön-Gompa. Für Uneingeweihte ist jedoch kaum ein Unterschied
zwischen Bön- und buddhistischer Gompa zu erkennen. Die beiden Formen haben sich
im Laufe der Zeit doch so sehr miteinander vermischt, dass nur noch wirkliche
Kenner die Unterschiede sehen.
Nach 3 Stunden Gompabesichtigung geht es
zurück zum Lagerplatz. Ein schöner, ereignisreicher und interessanter Tag geht
zu Ende.

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